HAVE 2/2014

Commentaire critique de l’article 46 OR/CO 2020 – plaidoyer en faveur de l’illicéité

Christoph Müller/Olivier Riske, Seite 119

Der Artikel versteht sich als ein kritischer, aber konstruktiver Beitrag zur Diskussion über die von Artikel 46 OR/CO 2020 skizzierte Weiterentwicklung des Haftpflichtrechts. Die darin vorgeschlagene Abschaffung der Widerrechtlichkeit als Voraussetzung der Haftpflicht ist aus mehreren Gründen abzulehnen: Sie führt nicht nur zu mangelnder Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit, sondern auch zu einer Ausuferung der Haftung. Darüber hinaus birgt sie die Gefahr des Rückschaufehlers. Auch hinsichtlich der Gewaltenteilung und der Abgrenzung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung ist die vorgeschlagene Änderung problematisch. Schliesslich steht der Vorschlag im Widerspruch zur Entwicklung des französischen Rechts und der europäischen Lehre und Rechtsprechung. Die Ablehnung der Abschaffung der Widerrechtlichkeit als Voraussetzung der Haftung und deren Auflösung im objektivierten Verschulden bedeutet jedoch keineswegs, dass das schweizerische Konzept der Widerrechtlichkeit keiner Weiterentwicklung bedarf. Die Unterscheidung zwischen Erfolgsunrecht und Verhaltensunrecht ist in der Tat überholt. Das Konzept des Verhaltensunrechts bietet entscheidende Vorteile gegenüber dem Erfolgsunrecht, sodass Letzteres ganz aufgegeben werden sollte. Dementsprechend sollte die Widerrechtlichkeit als die Verletzung einer konkreten Schutzpflicht verstanden werden – und nicht als die Verletzung einer abstrakten Sorgfaltspflicht, so wie es Artikel 46 OR/CO 2020 vorschlägt.

Doch: Langfrist-Heilbehandlungsleistungen gibts auch im UVG

Felix Hunziker-Blum, Seite 130

Der Beitrag zeigt auf, dass das UVG die Deckung von Heilbehandlungen für Nichtrentner und Rentner bewusst unterschiedlich regelt. Nach einem letzten Urteil dazu im Jahre 2004 habe das Bundesgericht 2007/2008 aus einer Verbindung von Art. 10 mit 19–21 UVG Regeln dafür entwickelt, «wann der Unfallversicherer einen Fall abzuschliessen hat». Das Ergebnis fassten einige Unfallversicherer und die Militärversicherung als Einladung auf, die Heilbehandlungsdeckung auch bei Nichtinvaliden zu begrenzen. Die Rechtsprechung wandele Unfallfolgen zu krankheitsbedingten Leiden, mit entsprechenden Folgen für Versicherte, Krankenversicherer und Arbeitgeber, für Ärzte, Kliniken und Apotheken. Nach An- sicht des Autors haben die Krankenversicherer und das BSV, die mit solchen Urteilen bedient werden, nicht erkannt, dass sich so eine Konvergenz von Unfall- und Krankenversicherung entwickle.

Klage eines Rentners gegen eine Schweizer Vorsorgeeinrichtung bei einem ausländischen Gericht im EU-Gebiet

Giovanni Volpe, Seite 139

Sollen aus dem Ausland Ansprüche gegen eine berufliche Vorsorgeeinrichtung der Schweiz geltend gemacht werden, stellt sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist die ausschliessliche Zuständigkeit der Schweizer Gerichte gegeben. Im überobligatorischen Bereich hingegen ist sie nicht eindeutig geregelt. Sie kann jedoch – und dies wird im vorliegenden Beitrag auch empfohlen – reglementarisch bestimmt bzw. vereinbart werden.

Le droit suisse prive-t-il vraiment les victimes de dommages différés de la possibilité de faire valoir leurs prétentions en justice ?

Thierry Décaillet, Seite 145

Nachdem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellt die Anwendung der schweizerischen Verjährungs- und Verwirkungsfristen auf Schadenersatzansprüche von Asbestopfern eine Verletzung von Art. 6 § 1 EMRK dar. Der vorliegende Beitrag legt die Umstände und Gründe dar, welche zur Errichtung des schweizerischen Sozialversicherungssystems geführt haben. Der Autor stellt dar, dass die soziale Unfallversicherung das Ziel verfolge, beim Eintritt eines beruflichen Risikos an die Stelle der zivilrechtlichen Schadenersatzordnung zu treten. Der Beitrag kommt zum Schluss, dass das schweizerische System der sozialen Sicherheit im Vergleich zu den Einkommensmöglichkeiten ohne die Berufskrankheit einen adäquaten Schadenausgleich ohne zeitliche Beschränkung gewährleiste. Aus diesem Grunde beschränke die Verjährungsfrist von 10 Jahren das Recht auf Zugang zum Gericht gemäss Art. 6 § 1 EMRK nicht.

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